Erfahrungsbericht einer Mutter, bei deren Baby im Verlauf der Schwangerschaft Trisomie 13 festgestellt wurde

„Die zweite Schwangerschaft sollte genauso ablaufen wie die erste“, nahm ich mir vor, als ich glücklich den positiven Schwangerschaftstest in Händen hielt. Ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits einen gesunden Sohn und dieses ist das zweite Wunschkind meines Mannes und mir. In meiner ersten Schwangerschaft gab es keinerlei Schwierigkeiten oder Momente in denen aus medizinischer Sicht etwas problematisch gewesen wäre.
Ich entschied mich daher in meiner ersten Schwangerschaft dafür alles so natürlich wie nur möglich ablaufen zu lassen. So ließ ich keine Ultraschalluntersuchungen durchführen und wurde intensiv von Beginn an von einer Hebamme betreut, die auch auf Hausgeburten spezialisiert ist. Diese Hebamme half mir auch bei meiner wundervollen Hausgeburt und betreute mich und mein Baby anschließend noch eine Weile.
Diese positiven Erfahrungen nahm ich mit in meine zweite Schwangerschaft und wollte alles genauso wieder machen. Ich versuchte keine Ängste oder Zweifel zuzulassen.
„Was soll nach meiner ersten tollen Schwangerschaft und Geburt schon schief gehen?“, dachte ich damals. Mein Bauch wuchs, ich hatte keine Beschwerden, meine Hebamme war bei unseren Terminen sehr sorgfältig und hatte keinerlei medizinische Bedenken.
Doch dann kam alles anders….

Circa in der 21. Schwangerschaftswoche bemerkte ich, dass mein Bauch nicht größer wurde. Ich erinnerte mich, dass er zu diesem Zeitpunkt in meiner ersten Schwangerschaft bereits größer war. Zuerst dachten mein Mann und ich es würde an zu viel Stress liegen, weil ich natürlich alle Hände voll mit unserem Sohn zu tun hatte, da mein Mann Vollzeit arbeitete. Daher entschieden wir uns dafür ruhig zu bleiben und noch ein wenig abzuwarten. Ich las, dass der Bauch einfach manchmal eine Zeitlang aufhöre zu wachsen und dann später einen Schub machen würde.
Zwei Wochen später waren jedoch sowohl der Bauch als auch die Gebärmutter immer noch nicht gewachsen. Ich entschied mich (auch auf dringenden Rat meiner Hebamme) doch einmal zum Gynäkologen zu gehen um die genaue Ursache dafür herauszufinden….

Ab dann ging alles schnell. Meine Gynäkologin untersuchte mich kopfschüttelnd. Warum ich erst jetzt erscheine, fragte sie mich vorwurfsvoll. Die Arzthelferinnen schienen auch über mich und meine Situation zu flüstern. Es war sehr unangenehm. Ich fühlte mich als sei ich eine verantwortungslose angehende (zweifache) Mutter! Ich traute mich nicht irgendetwas zu sagen oder zu tun und fand mich vorerst mit dieser angespannten und erdrückenden Atmosphäre ab.
Erst als die Ärztin mich untersuchte und mir sagte, dass das Baby sehr klein und nicht der Schwangerschaftswoche entsprechend entwickelt sei und sich halblaut äußerte, ob sie vielleicht den Ethikrat einbeziehen sollte und mich wiederholt fragte, warum ich nicht früher gekommen wäre, sagte ich bestimmt: „Weil ich eben NICHT vor DER Entscheidung stehen wollte.“
Die Ärztin schaute mich darauf mitfühlend an und sagte: „Ja, verstehe, das hätte ich auch nicht gekonnt.“
Mit jeder Schwangerschaft sind auch Risiken verbunden auf die niemand vorher oder währenddessen Einfluss hat oder gar vorher wissen kann. Ich musste jetzt lernen, dass eben auch ich nicht auf alles Einfluss habe so sehr ich mir auch genauso einen einfachen und problemlosen Verlauf wie in meiner ersten Schwangerschaft gewünscht und vorgenommen habe. Nach der Untersuchung habe ich gehofft die Kraft zu haben alles zu überstehen was auf mich zukommen wird. Am Ende war es auch so aber natürlich gab es auf meinem Weg viele Höhen und Tiefen, Tränen, Verzweiflung, Ängste….

Bereits am nächsten Tag nach der Untersuchung bei meiner Gynäkologin hatte ich einen Termin zur Pränataldiagnostik in einer Fachklinik. Zwei Tage später erhielten wir endlich die Ergebnisse dieser Untersuchung. Das waren die schlimmsten zwei Tage meines Lebens! Die Ungewissheit was mich erwarten würde machte mir sehr zu schaffen. Ich konnte weder schlafen noch essen aus Sorge was kommen wird.
Dann endlich bekamen wir die Diagnose. Trisomie 13 hieß es. Die Ärztin in der Fachklinik war mir gegenüber sehr einfühlsam und versicherte mir, dass ich absolut nichts falsch gemacht habe, es nicht an meiner Lebensweise oder meiner Entscheidung zu keiner Voruntersuchung zu gehen läge, dass mein Baby krank wurde. Sie sagte weiter, um mir meine Last und das schlechte Gewissen zu nehmen, es wäre ein gemeiner Scherz der Natur. Komme einmal zu 10.000 vor.
Die Ärztin hat dann genau beschrieben welche Fehlbildungen sie beim Baby im Ultraschal sehen konnte. Daraufhin weinte ich bitterlich! Ich hatte Angst: davor das Baby nicht lieben zu können und nur sein Leiden zu sehen. Überhaupt wusste niemand der Ärzte ob ich mein Baby überhaupt lebend zur Welt bringen würde oder es schon im Bauch sterben würde. Und wenn es lebend zur Welt komme, wisse ebenfalls niemand wie lange es leben würde. Aufgrund der starken Fehlbildungen konnte man mir aber sagen, dass mein Baby nicht lange leben würde, wenn es denn lebend geboren wird. Nicht zu wissen wie es ausgeht, ob ich mein Baby kennen lernen werde und wie viel Zeit ich mit ihm haben werde machte mich ebenfalls tief traurig. Ich glaube ich habe in meinem Leben keine traurigeren Zeiten erlebt wie nach dieser Diagnose.
Aber mein Gefühl sagte mir, dass ich mein Baby lebend gebären werde! Daraufhin kam eine weitere Angst in mir auf: Die Angst mein Baby nicht beruhigen zu können, wenn es weinen wird. Zum Beispiel wenn es Hunger hat doch aufgrund der Behinderung nicht trinken können würde. Die Ärztin versuchte mich zu beruhigen indem sie mir erklärte, dass mein Baby gar nicht die Kraft zum trinken haben werde. Einerseits war das beruhigend und andererseits eine weitere traurige Information.
Neben all den schrecklichen Ergebnissen erfuhren wir aber auch etwas sehr Schönes: Unser Baby ist ein Mädchen! Nach unserem Sohn nun ein Mädchen.
Nun hieß es abwarten wie sich die Schwangerschaft weiterentwickelt. Zum Glück hatte ich noch meinen Sohn, den ich versorgen und für ihn da sein musste. Das gab mir Kraft den Rest der Schwangerschaft zu überstehen….

Letztendlich kam meine Tochter zwei Wochen vor dem errechneten Termin zur Welt. Es war eine natürliche Geburt jedoch unter den Umständen im Krankenhaus. Eine Hausgeburt war so nicht mehr möglich.
Sie war das hübscheste kleinste Mädchen der Welt für mich!!! Ich liebte sie ab der ersten Sekunde! Ja ich fand sie wundervoll, trotz der Nasen-Mund Spalte. Andere Missbildungen waren äußerlich nicht zu sehen, da sie einige innere Organe betrafen. Mein Baby lag nach der Geburt wie es nach jeder Geburt üblich ist an meiner Brust und ich versuchte sie zu stillen. Sie schlief dabei so friedlich.
Meine Tochter wurde sehr schnell nach der Geburt auf die Intensivstation gebracht. Ich kam eine halbe Stunde später nach. Als ich ins Zimmer kam, war eine Ärztin bei ihr und mein Baby schrie! Aha, dachte ich, „Kraft hat sie wohl doch.“ Das machte mir Mut und gab mir Kraft. Sobald ich mein Baby auf den Arm nahm beruhigte sie sich sofort. Sie empfand Hunger und das Bedürfnis nach Nähe. Sie bekam über eine Sonde meine Muttermilch.
Nach zwei Tagen auf der Intensivstation durften wir mit ihr nach Hause.
Sie hat insgesamt vier Tage gelebt. Die Zeit mit ihr war sehr intensiv für uns alle. Aber wir sind so froh und unendlich dankbar dafür sie kennengelernt zu haben. Sie schlief friedlich in meinen Armen ein als sie von uns ging. Es war traurig und schön zugleich.

Ich habe nie zuvor gedacht, dass der Tod einer nahestehenden Person gleichzeitig unglaublich schmerzhaft und traurig und doch so schön sein kann.
„Das Gefühl sie wollte geboren werden um geliebt zu werden vergesse ich niemals.“ Es fühlt sich wie Bestätigung an.
Was hätte ich ansonsten machen können? Klar, hätte ich alle Ultraschall- und Voruntersuchungen wahrnehmen können. Aber was hätte sich dann verändert?! Die Krankheit wäre trotzdem da gewesen. Ich hätte nur vielleicht früher die Diagnose erhalten. Und dann? Dann hätte ich womöglich von Ärzten die Empfehlung bekommen abzutreiben. Doch auch DAS wäre schmerzhaft gewesen! Ich hätte trotzdem Angst gehabt und Trauer durchlebt.
Eine Abtreibung hätte allerdings Drei gravierenden Nachteile gehabt:

  1. Mein Mann und ich hätten unsere Tochter nie kennen gelernt und unser Sohn seine Schwester nicht.
  2. Ich hätte mir mein Leben lang Vorwürfe gemacht, dass ich das Leben meiner Tochter mit meiner Entscheidung zur Abtreibung beendet habe.
  3. Vielleicht hätte ich nach einem solchen Eingriff nicht mehr schwanger werden können, denn das können Folgen einer Abtreibung sein.

Alles in Allem war es eine schwere Zeit. Vor allem weil wir nicht wussten, was auf uns zukommen wird. Aber ich bereue Nichts. Diese Erfahrung hat mich und uns als Familie so sehr gestärkt. Vor allem verspüre ich tiefe Dankbarkeit, weil ich die ganze Zeit das Gefühl hatte von Gottes Hand getragen und geführt zu werden.

Acht Monate später wurde ich wieder schwanger und bekam einen zweiten gesunden Sohn.
Auch dieses Mal ohne Ultraschalluntersuchungen mit einer friedlichen Hausgeburt.

In Gedenken an unsere geliebte Tochter und voll Dankbarkeit für unsere gemeinsame Zeit.

Martyna
(Name geändert)

Eine mit dem Smartphone telefonierende Frau sitzt an einem Schreibtisch vor einem silbernen Laptop

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