Erlebnisberichte nach einer Abtreibung

Abtreibung Erfahrung · Hilfe

All meine Beratungsfälle und die Frauen, die sie betreffen, liegen mir am Herzen. Und dann gibt es Fälle, die liegen mir ganz besonders am Herzen, vielleicht, weil die Frauen sich mir dann besonders anvertrauen oder ich von ihrer Situation besonders berührt werde. Julie ist so eine Frau, die mir besonders am Herzen liegt, und mein Herz wird schwer, wenn ich an sie, ihre Geschichte und ihr Baby zurückdenke:

Ich habe Julie als eine sehr intelligente, warmherzige und wackere Frau kennengelernt. Wacker deshalb, weil sie seit Jahren gegen eine Heroinsucht ankämpft, die sie noch nicht besiegt hat, von der sie sich aber auch noch nicht hat kleinkriegen lassen. Sie steht immer wieder auf, hat sich sogar einen Ausbildungsplatz gesucht und schon mehrere Anläufe in der Substitution genommen. In diese Situation hinein gesellte sich letztes Jahr eine ungeplante Schwangerschaft. Der Vater des ungeborenen Kindes, ihr Freund, ist ebenfalls schwer heroinabhängig. Beide hatten kurz vor der Schreckensnachricht eine Paar-Entgiftung hinter sich gebracht, die nun schnell wieder hinfällig war.

Julie beschrieb sich als „völlig verzweifelt“:  Wie sollte sie als Drogenabhängige ein gesundes Kind zur Welt bringen? Wie sehr würde das Kind nach der Entbindung unter Entzugssymptomen leiden? Wie sollte sie die Ausbildung schwanger und später mit Kind bestehen? Was, wenn ihr Partner sie mit dem Kind allein ließe? Wie sollte sie finanziell klarkommen? Und vor allem: Wie sollte sie das alles ihrer Familie erklären, von der sie keinen Rückhalt erwarten konnte? – denn dort fühlte sie sich wie das „schwarze Schaf“. Die Nachricht über eine Schwangerschaft würde keine Freude auslösen, im Gegenteil, es würde Vorwürfe und Unverständnis hageln. Und doch war ihr klar, dass es sich nicht einfach nur um einen Zellklumpen in ihr handelte, sondern um ihr eigenes Kind. Die Emotionen in Julie sprachen sich lautstark für das Kind aus, und je mehr sie schrieb, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass sie ernsthaft und händeringend nach Lösungen für ihre massiven Probleme suchte.

Nachdem sie ihrem Arzt von der bestehenden Schwangerschaft erzählt hatte, verweigerte ihr dieser die weitere Substitution, sie solle direkt in ein Krankenhaus gehen. Julie sah sich daraufhin gezwungen, bis zum Aufnahmetermin weiter zu konsumieren. Offen gestanden, es war schwer für mich auszuhalten, das mit anzusehen, denn offenbar traute der Arzt ihr sowohl das Kind als auch den Entzug zu, und da war er nicht der Einzige, denn auch ich hatte in der Zwischenzeit so viel über sie erfahren, dass ich es ihr absolut zutraute, ihren Kampf zu gewinnen.

 Julie wollte alles versuchen, um das Würmchen zu behalten. Doch sie wolle auch unbedingt ihre Ausbildung machen, weil sie sich hiervon Struktur und Selbstwertgefühl erhoffte. Nach ihrer letzten Langzeittherapie aufgrund ihrer Sucht hatte sie sich diesen Platz selbst hart erkämpft, obwohl sie kurz nach Therapieende wieder rückfällig geworden war, gerade WEGEN fehlender Struktur. Diese Ausbildung sollte ihr Leben endlich wieder geraderücken. Ohne Drogen.

Der Tag des Schwangerschaftsabbruchs mit der Abtreibungspille „Mifegyne®“ brach an. Julie hielt die Tablette in den Händen, konnte sie aber nicht einnehmen. Julie entschied sich für ihr Kind!

Eine Woche später schrieb sie mir erneut. Sie sei in einer Klinik aufgenommen worden, wo sie medikamentös eingestellt worden sei. Eine komplette Entgiftung würden die Ärzte frühestens im 2. Trimester der Schwangerschaft beginnen, da jetzt (8. Woche) noch die Gefahr einer Fehlgeburt bestand. Sie sprach über Selbstmord, zweifelte an ihrer Entscheidung für das Kind. Das Schlimmste für Julie war, dass sie sich von ihrem Freund im Stich gelassen fühlte. Dieser konsumierte vor ihren Augen weiter Drogen, er habe nicht anders gekonnt. Sie habe keine Familie, und allein schaffe sie es nicht.

 Vier Wochen nach unserem ersten Kontakt starb Julies Kind durch eine Abtreibung.

Geliebt.

Gewollt.

Und doch ohne einen Platz in dieser Welt.

Über ein Jahr später schrieb mir Julie, dass es ihr ein Anliegen sei, ihre Geschichte mit der Öffentlichkeit zu teilen. Sie leidet stark unter ihrer Entscheidung, würde alles am liebsten rückgängig machen:

„Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an mein Würmchen denke. Rückblickend hätte sich fast jeder Grund, der gegen mein Baby sprach, regeln lassen… Aber ich war nicht stark genug… Ich bin sprichwörtlich betäubt (durch Heroin) in die Klinik, alleine, meinem Freund war seine Arbeit wichtiger. Es geschah unter Vollnarkose, ich weinte auf dem OP- Tisch, als der Zugang gelegt wurde, und ich spürte, dass es meine letzte Chance war, laut „Nein“ zu rufen. Aber es liefen nur stumme Tränen. Und heute möchte ich schreien. Jedes Mal, wenn ich eine schwangere Frau sehe. Jedes Mal, wenn jemand ein Baby im Arm hält. Jedes Mal, wenn ich an einem Geschäft mit Babysachen vorbei gehe. Und jedes Mal, wenn ich das Ultraschallbild betrachte, das entstand, als ich mich beim ersten Termin für mein Würmchen entschied.

 Jetzt ist es nicht mehr da. Mein Bauch ist leer, mein Herz gebrochen, mein Gewissen bringt mich fast um. Ich hätte die Schwangerschaft substituiert durchstehen können. Ich hätte die Ausbildung in Teilzeit machen können. Es gibt Stiftungsgelder für Erstausstattungen und Zuschüsse vom Amt. Männer kommen und gehen, ein Kind bleibt. Und meine Familie? Was geht es meine Familie an? Ich hätte MEINE Familie haben können… Selbst Adoption wäre rückblickend die bessere Variante gewesen, oder eine Babyklappe. Alles, nur nicht das, was jetzt ist.

 Ich frage mich, ob es Schmerzen hatte. Ich frage mich, ob es Angst hatte… Und ich bitte es jeden Tag um Vergebung.

 Und ich kann nur jeder Frau sagen: Überlegt es euch gut. So gut, dass ihr zu 100 % sagen könnt, ihr könnt damit leben. Denn ich bin mir sicher, selbst wenn es 99,9 % sind, leidet ihr danach… So wie ich, so wie die vielen anderen Frauen, die ich durch die Beratung kennenlernen durfte. Nehmt die helfenden Hände, die euch gereicht werden. Es gibt für alles eine Lösung. Eine Abtreibung ist keine…

 Danke, liebe Silvia, dass du damals, und auch jetzt noch, für mich da bist. Dass du mir zuhörst und mich niemals für das, was ich bin (ein „Junkie“) und für das, was ich getan habe, verurteilt hast. Im Gegenteil, ich darf mit all meinen Gedanken und meiner Trauer sein, wie ich bin.“

Ich glaube daran, dass du, Julie, einen Weg finden wirst, von den Drogen wegzukommen und Frieden mit dir und deinem Kind zu schließen. Ich glaube an dich, bitte tu du es auch!

Ich möchte euch gerne die Geschichte über meine Abtreibung nahebringen, weil viele von euch vielleicht gerade an dem gleichen Punkt sind.

Im Oktober’19 wartete ich vergeblich auf meine Tage. Abends bin ich mit einer Freundin unterwegs gewesen, und wir haben darüber geredet. Wir beschlossen: Wenn ich sie in vier Tagen nicht bekomme, mache ich einen Test.

Nun ja – es war Freitagmorgen, ich war aufgeregt. Der Test war positiv! Binnen einer Sekunde wurde alles auf den Kopf gestellt. Unsicherheit breitete sich aus – aber dennoch war ich glücklich. Ein Lebewesen in mir, das mich braucht, das aus Liebe entstand.

Ich schrieb meinem Freund, dass ich meine Tage immer noch nicht habe, dass wir abends reden müssen und ich Angst habe. Er antwortete nur: „Da wird nichts sein, alles gut.“ Ich zerbrach mir den Kopf: Wie sage ich ihm bloß, dass ich schwanger bin? Ich hatte große Angst vor seiner Reaktion. Während des Gesprächs ließ ich es zwar irgendwie durchsickern, konnte es ihm aber nicht direkt sagen. Doch er verstand: Auf dem Rückweg vom Restaurant sagte er, er wolle das Kind nicht, er sei nicht bereit. Möchte das alles gar nicht nach zwei Monaten Beziehung.

Ich schmiss ihn zu Hause raus und machte an dem Tag zehn weitere Tests – doch das Ergebnis blieb dasselbe. Ich lag die ganze Nacht über wach und setzte mich mit allen Szenarien auseinander: Abtreibung? Behalten?

Alles durchgelesen im Internet.

Videos angeschaut, dachte, es wäre das Beste.

So ging es weiter…jeden Tag alles durchgeplant…ich hatte Angst!

Habe geweint…habe meine Eltern nicht gesehen.

Als ich beim Frauenarzt war, hatte ich ein komisches Gefühl. Ein Gefühl von Angst und gleichzeitig Glück. Ich saß auf dem Stuhl und sah plötzlich mein kleines Wesen. Es war erstmal nur eine Blase zu erkennen, trotzdem habe ich mein Kind schon geliebt. Die Frauenärztin hat gefragt, ob ich mein Baby behalten möchte. Ich habe geweint und antwortete, dass ich das nicht weiß. Dass ich überfordert bin.

Zwei Wochen später fragte sie mich erneut und ich antwortete ihr, dass ich das nicht Kind behalten wolle. Ich war mir sicher, sicher, MEIN Lebewesen „wegmachen“ zulassen. Mein Freund und ich hatten viel Stress, haben diskutiert. Das Gefühl von Einsamkeit hat mich so sehr geplagt, dass ich meinte, keine Luft mehr zu bekommen.

An einem Sonntag bin ich zu meinen Eltern gefahren, und eine schlimme Angst erfasste mich. Meine Worte waren: “ Mama, Papa, ich muss euch was sagen. Ich bin schwanger, und es tut mir leid, euch das sagen zu müssen, aber ich werde meine kleine Blaubeere nicht bekommen, ich kann es nicht. Ich kann meinem Baby nichts bieten.“ Ich sah meine Eltern, von einem Grinsen brachen sie in Tränen aus. Noch nie habe ich meinen Vater und meine Mama so gesehen.  Ihr Enkelkind, das sie nie kennenlernen werden.  Meine Mama meinte, dass sie beide für mich da sind, egal, was passiert, sie sind da!

Am 13.11. sollte der Abtreibungstermin sein. Ich war mir sicher – ich war mir unsicher.

Mit Mama bin ich zum Vorgespräch der Operation gegangen. Ich war Anfang der achten Woche. Wir haben mein Wesen gesehen, das kleine Wesen, gesehen, wie ein ganz kleiner Herzschlag da war.

Mir war übel. Habe gekotzt. Ich hatte Muttergefühle, Gefühle wie eine Mama. Sprachlosigkeit war das Erste an der Tagesordnung.

Am Tag der Abtreibung musste ich morgens zwei Tabletten nehmen, die ich immer und immer wieder ausgespuckt habe. War das ein Zeichen? Sollte ich doch nicht hin?

Doch ich hörte nicht auf mein Bauchgefühl und bin in die Praxis gefahren. Saß da, habe gewartet. Gewartet auf eine Operation, bei der mir ein Stück Frau genommen wurde. Ich habe mich umgezogen, bin in den Op-Saal gegangen. Lag da. „Sie brauchen keine Angst haben, wir sind die ganze Zeit bei Ihnen.“ Und schon war ich unter Vollnarkose.

Ich bin aufgewacht, zwischen meinen Beinen war alles nass. Ich habe geguckt, was es war, es war mein Blut. Ich habe so sehr geblutet. Eine Schwester kam auf mich zu, und ich fragte sie, ob mein Baby jetzt wirklich weg ist. „Ja, es ist nicht mehr da.“ Für mich brach eine Welt zusammen, was hatte ich getan? Wieso hatte ich das getan? Ich habe so sehr geweint, habe mich angezogen, hatte Schmerzen.

Ich saß alleine im Warteraum, es kamen keine Tränen, es kam Hass… Ich habe mich gehasst dafür. Sprechen wollte ich nicht wirklich. Für mich hatte in diesem Moment Priorität, wie ich mein Baby wiederbekomme. Ich musste mich beruhigen, denn es würde nie wiederkommen, das musste ich mir immer wieder selber sagen.

Zwei Wochen später sagte mir eine Freundin, sie sei schwanger und möchte es nicht behalten, also stand ich das ganze Prozedere mit ihr noch einmal durch, ich war stark für sie. Einen Tag nach der Info meiner Freundin erzählte mir eine weitere Freundin, dass sie schwanger sei. Sie und ihr Freund hatten sich nichts sehnlicher gewünscht als das. Ich freute mich für sie, aber gleichzeitig war es schwer für mich. Ehrlich gesagt, es hätte nichts schwerer sein können als das.

Inzwischen sind vier Monate vergangen. Vier vergangene Monate mit vielen Tränen. Ich habe es noch immer nicht verarbeitet. Es ist das Schlimmste, das ich je getan habe. Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, als jetzt eine Kugel mit mir herumzutragen, ein Babyzimmer einzurichten…Die Fragen, die mir im Kopf herumschwirren, sind teilweise so schlimm, dass mir die Tränen kommen: Welches Geschlecht? Welchen Namen hätte ich ausgesucht? Was würde ich gerade tun? Ja, nach vier Monaten wünsche ich mir nichts sehnlicher als mein Baby in meinem Bauch. Mit meinen Freundinnen spazieren zu gehen, und wir sind alle schwanger. Mein Kind hätte die besten Voraussetzungen im Jetzt gehabt. Leider habe ich das alles zu spät gesehen und bereue es. Bereuen ist das Schlimmste, gerade, wenn es das eigene Kind ist. Mir tut es weh, unheimlich dolle.

(Lotta)

Ich sah dich mit zitternden Knien und Herzrasen im Ultraschall-Display, nachdem ich deine geheime Einschleichung auf dem positiven Schwangerschaftstest festgestellt hatte. Mir war von Anfang an klar, dass ich dich nicht behalten werde. Vier Geschwister hast du bereits, eine Mama, die erst wieder im Berufsleben steht und sowieso schon oft am Limit mit ihren Kräften ist, und einen Papa, der den ganzen Tag bei der Arbeit ist und abends total gestresst nach Hause kommt. Wie sollte ich die Schwangerschaft meistern? Habe ich doch keine Ruhe, mich fünf Minuten hinzusetzen und zu ruhen, da deine Geschwister an mir zerren und mir alles abverlangen. Müde und überfordert würde ich laut werden und schreien und alles an deinen Geschwistern auslassen. Deine kleinen Brüder sind doch auch noch Windelpopos und brauchen meine ganze Aufmerksamkeit. Nein, sie brauchen meine ganze Kraft – ich brauche meine ganze Kraft. Wer denkt an mich? Ich bin doch keine Maschine, obwohl ich mir manchmal wünschte, eine zu sein – für dich!

Wie sollte es werden, wenn du da bist?

In meinen Armen solltest du dich geborgen fühlen, wie jedes von deinen Geschwistern. Mit dir zusammen im Bett liegen und kuscheln, deinen Geruch tief einatmen und spüren, wie dich mein Atem und Herzschlag ruhiger werden lässt.

Ich sah dich auf dem Ultraschall, wir waren zusammen in der 10. Woche. Alles konnte ich an dir sehen! Deinen kleinen Kopf, der förmiger wurde, Deine Zappelbeinchen, deine Hand, die wirkte, als würdest du mir zuwinken, weil du genau gespürt hast, dass ich dich genau jetzt beobachte. Und was ich ganz deutlich sah: dein regelmäßig schlagendes Herz.

Im Kopf habe ich alle Varianten des alltäglichen Lebens mit dir durchgespielt. Was wäre, wenn…? Ich möchte niemals anzweifeln, dass ich mich auf dich gefreut hätte, ich möchte niemals anzweifeln, dass ich dich behütet und beschützt hätte und du stundenlang von mir abgeknutscht worden wärst. Dies wäre ein Versprechen für dich gewesen. Doch am eigentlich sichersten Ort, den es für dich gab, habe ich dich im Stich gelassen!

Glaube nicht, dass deine Mama nicht gelitten hat! Du konntest bestimmt ihre Angst, ihre Verzweiflung, ihre Tränen und Schreie fühlen und hören, als deine Mama mit dir in den OP-Saal geschoben wurde. Dein kleines Herz muss fürchterliche Qualen erlitten haben, denn was für dich ausschlaggebend war zur Unruhe und Sorge – nicht das Drumherum, nicht die fremden Menschen: deine Mama, wie Sie Höllenqualen durchlebt.

Deine Mama hat sich von der Fixierung losgerissen, um ihre große warme Hand auf Dich zu legen. Um mit dir Kontakt zu halten, um sich zu verabschieden. Um Lebewohl zu sagen. Deine Mama bekam kaum Luft von dem ganzen Weinen und Zittern und Schreien.

Und im allerletzten Moment, entschloss ich mich: WIR kämpfen! Du sollst bei mir bleiben! Stopp, stopp, stopp!…

Zu spät.

Die Narkose kam in vollem Rausch…Und Deine Mama schlief ein…Und wachte wieder auf…OHNE DICH!

Es war ein regnerischer Tag, als wir zusammen im Krankenhausbett lagen. Und als ich ohne dich das Krankenhaus wieder verließ, schien die Sonne, es war warm…Aber etwas fehlte. Jemand fehlte. Du…DU FEHLST MIR!

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich läge nicht den ganzen Tag im Bett und kümmere mich um deine Geschwister. Spiele und tobe mit Ihnen. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, mir geht’s gut, alles ok, das Umfeld ist auch noch da.

Ich liege im Bett mit Heulkrämpfen, mit Unterleibskrämpfen, mit Blutungen. Das alles ist nicht der Rede wert. Aber eins ist der Rede wert…

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, mein Herz ist nicht gebrochen.

(Laura)

Der Schwangerschaftstest war positiv, ich überlegte, wie ich es ihm sage. Wir waren immerhin schon vier Jahre zusammen. Zwei Kinder hatte ich schon, nicht von ihm. Er hat auch schon ein Kind aus einer früheren Beziehung.

Das Leben ist schwer und teuer, aber ich freute mich auf dich. Ich sagte es ihm, ich war in der 8 SSW. Er flippte aus, hackte immer wieder auf mir herum. Seine Mutter rief mich an und sagte „Mach das Ding weg, ihr habt kein Geld!“

War es nur ein Ding??

Immer wieder redeten sie auf mich ein, mein Gedanke war: Ich liebe es doch, ich möchte es. Immer wieder spielte ich Situationen durch: Was wäre, wenn…?

Er drohte mir: „Wenn du es behältst, verlasse ich dich!“ Bin ich dann alleine mit drei Kindern? Mein Herz blutete.

Irgendwann war ich so weit, dass ich sagte: Ich bekomme es nicht. In dieser Praxis ging es zu wie beim Metzger. Er wartete auf mich, wollte sicher sein, dass ich es wirklich tue. Auf dem Stuhl wurde ich untenrum betäubt, bekam daher alles mit. Bevor es losging, habe ich dich noch einmal gesehen. Warum bin ich nicht aufgesprungen und rausgelaufen? Warum??

Er schob einen langen Eisenstarb in mich rein. Als er ihn rausholte, war überall Blut. Die Absaugmaschine lief, es war die Hölle. Erst zu Hause, drei Stunden nach dem Eingriff, bin ich zusammengebrochen. Ich habe geschrien, dich gerufen, aber du warst einfach weg. Nie werde ich dich sehen oder dein Lachen hören.

Ich bin daran zerbrochen. Wochenlang konnte ich nicht aufstehen, wollte mir selbst das Leben nehmen, hab nie geweint. Mein Weinen war ein Schreien, ich schrie: „Warum?“ und betete zu Gott, dass er mir verzeihen solle. Auch heute, 3 Jahre danach, denke ich an dich.

Ich habe nach dem Eingriff die Entscheidung getroffen, dass ich mein Baby zurückwill. Hatte mich eigentlich getrennt von ihm. Ich nahm ihn zurück, weil ich mein Kind und mein Leben zurückhaben wollte. 4 Monate, nachdem du weg warst, war ich wieder schwanger, schwanger von ihm!! Ich wollte es so. Habe ihm nichts gesagt.

Mein Baby ist heute zwei Jahre alt, ohne sie hätte ich es nie geschafft. Denke heute noch oft an dich und daran, wie ich meiner Tochter erklären soll, wie und warum sie entstanden ist.

Ich bin tot gewesen. Sie hat mich ins Leben zurückgeholt.

Folgt eurem Herzen, und treibt bitte nicht ab. Egal, in welcher Situation ihr auch seid und ob ihr denkt, es sei aussichtslos.

Ich liebe dich und werde dich immer lieben. 100 Mal habe ich dich um Verzeihung gebeten. Vergib mir, mein Kind. So still mein Herz. Irgendwann sehen wir uns wieder und sind vereint.

(Tatjana)

Ich bin 29 Jahre alt und lebe in einer Beziehung. Meine Eltern wissen nichts von meinem Partner, da sie ihn nie akzeptiert haben. Ich war also heimlich mit ihm zusammen und bin es heute noch.

Im Januar 2019 fand ich heraus, dass ich in der 5. Schwangerschaftswoche schwanger war – ich war geschockt! Ich wollte immer Kinder, doch wie sollte ich dies meiner Familie beibringen? Sie wussten doch nicht einmal etwas von meinem Partner!

Mein Partner wollte, dass ich sofort abtreibe. Er sagte, es sei nicht der richtige Zeitpunkt. Wir müssten meiner Familie erst einmal beibringen, dass wir ein Paar seien, danach könnten wir dann Kinder zeugen.

Ich war hin- und hergerissen. Ich stand total neben mir und konnte auch mit niemandem über die Situation reden. Ich habe mich deshalb mit vitaL in Verbindung gesetzt. Die liebe Monika hat mit mir alle Möglichkeiten besprochen, um das Kind behalten zu können, und mir ihre Hilfe angeboten. Doch all das hat mein Mann mir dann wieder ausgeredet.

Der Termin zur medikamentösen Abtreibung war da – es war der 18. Januar 2019. Ich bin unter Tränen hingegangen. Allein. Ich wurde untersucht, und man konnte den Herzschlag schon sehen. Ich bin vor der Ärztin in Tränen ausgebrochen und habe ihr gesagt, dass ich unter Druck gesetzt werde und noch einmal mit meinem Mann reden wolle, bevor ich die Tablette nehme.

Ich habe ihn also angerufen und noch einmal versucht, ihn zu überreden. Ich sagte ihm, dass man den Herzschlag schon sehe und ich das nicht machen könne. Doch er wollte nichts davon wissen und wurde wütend. Ich war am Boden zerstört und wusste nicht, was ich tun sollte.

Dann ging ich wieder zu der Ärztin ins Zimmer und nahm die Tablette.

Es war vorbei. Starke Schmerzen setzten ein, und einen Tag später kamen die Blutungen mit Gewebestücken. Es war so schlimm, ich habe geweint. Meinem eigenen Fleisch und Blut habe ich das angetan!

Er wollte, dass ich es schnell mache und hat mich dazu gedrängt. Ich weiß: Die letzte Entscheidung traf ich, aber ich fühlte mich wie verhext. Ich hatte Angst, dass ich meine Familie verliere und alle wütend werden – das war der größte Fehler.

Heute ist es mir egal, was meine Familie sagt, selbst wenn das bedeuten würde, dass ich das Kind alleine großziehe. Alles, was Monika mir angeboten hatte, war richtig. Hätte ich mich darauf eingelassen, wäre ich jetzt noch schwanger, doch ich konnte das alles nicht sehen. Ich dachte wirklich, es würde nicht gehen, dabei hat sie mir so gute und realistische Hinweise gegeben. Ich war wie betäubt und wusste nicht, was ich da tue.

Wie konnte ich das nur tun? Ich hasse mich dafür! Jetzt ist mein Leben nicht mehr schön, ich bin mit den Nerven am Ende. Ich schlafe weinend ein und wache weinend wieder auf. Schlafstörungen habe ich auch. Ich kann meinen Alltag nicht bewältigen. Sogar bei der Arbeit kann ich meine Tränen nicht unterdrücken, obwohl ich eigentlich nicht der Typ bin, der seine Gefühle zeigt. Ich muss warten, bis ich nach Hause kann, um endlich zu weinen. Es ist unerträglich. Ich will mein Kind zurück, doch das geht nicht. Ich werde das niemals verarbeiten können.

Mein Mann will davon nichts hören, sodass ich mit ihm darüber nicht reden kann.

Ich wünsche mir jetzt nichts mehr als ein Baby, sonst kann ich dieses Leben nicht mehr ertragen. Es hat keinen Sinn. Mein Herz ist gebrochen, es tut so weh! Ich hatte in meinem Leben noch nie so einen seelischen Schmerz wie jetzt. Ich hoffe nur, dass ich schnell wieder schwanger werde. Diese Abtreibung hat nichts leichter gemacht. Nein, sie hat mich kaputtgemacht.

Heute denke ich: Egal, ob man von allen gehasst wird oder ob man alleine dasteht, man sollte das nie tun! Es ist ein Wunder – ein Lebewesen, das in dir wächst! Auch wenn eine Frau in dem Moment denkt, es sei die richtige Entscheidung – sie wird sie bereuen. Man muss nur ein bisschen sensibel sein, und es macht einen kaputt. Es gibt so viel Hilfe, und man kann das alles meistern, ich habe es nur zu spät gesehen. Ich würde alles geben, um die Zeit zurückdrehen zu können, aber es ist zu spät.

Im Jahr 1966, als mein Sohn gerade ein Jahr alt war, habe ich durch meine Hebamme eine Abtreibung vornehmen lassen. Diese war letztlich Jahre später, die mir viel abverlangten, der Grund, warum ich den Verein „Hilfe für Schwangere“ gegründet habe.

Am 4.4.2017 bin ich zum Gynäkologen gegangen, weil ich eine Veränderung meiner Brust bemerkte. Es gab bereits zwei Probeentnahmen vor etlichen Jahren, die jedoch immer gutartig waren. Der Gynäkologe war skeptisch und meinte, es müsste auf jeden Fall eine Mammographie gemacht werden, um mit Sicherheit auszuschließen, dass es nichts Bösartiges ist. Ich bekam einen Termin zur Mammographie zum 21.4.

Die Zeit bis dahin war extrem quälend für mich. Ich habe mir alle möglichen Szenarien ausgemalt und auch die Frage aufgeworfen: „Was wird aus meinem Mann, wenn sich das Bösartige bewahrheitet?“ In diesem Zusammenhang war plötzlich meine Abtreibung aus dem Jahr 1966 glasklar wieder in meinem Kopf vorhanden. Ich habe mich gefragt: „Ist das jetzt eine Bestrafung für das, was ich im Jahre 1966 getan habe?“ Ich war sehr verzweifelt und habe nicht gewagt, mich jemandem anzuvertrauen. Als am 21.4. dann das erlösende Ergebnis vorlag, konnte ich wieder durchatmen. Erst danach habe ich über meine Ängste sprechen können.

Daran sah ich, dass ein solches Ereignis NIE aus dem Kopf verschwindet. Ich bin sicher, dass mir längst VERGEBEN wurde. Aber ein VERGESSEN wird es NIE geben.

(Elke)

Eine 49-jährige Frau schildert, wie eine Abtreibung das Ende ihrer Ehe eingeläutet hat – kurz nach Ostern 2008 reichte sie die Scheidung ein:

Eine Abtreibung ist das Ende einer Beziehung. Das haben mir nahezu alle Frauen bestätigt, mit denen ich darüber gesprochen habe. Erschrocken hat mich dabei der hohe Anteil der Fälle zu diesem Tabuthema. Fatal ist, dass einen niemand über die psychologischen Folgen aufklärt; nur über die medizinischen Tatsachen redet man. Da kommen Assoziationen zum Schlachthof hoch, steril, sauber eliminierend und ohne Schreie – zumindest hörbare, denn die Seele hat leise Töne. Dieser unglaubliche Akt von Gewalt: ja, nicht nur gegenüber dem Ungeborenen, sondern auch gegenüber sich selber. Das werdende Leben – es sollte einfach nur weg. Eine beispiellose Missachtung des Frauseins. Was ist das für eine Gesellschaft, die lieber Argumente gegen Kinder findet, als dass sie diese unterstützt?

Materieller Wohlstand gegen ein Kind?

Vor der Abtreibung war ich noch in Bayreuth zu den Festspielen. Ich hatte keine Lust zu dieser Reise. Mir war einfach nur übel, am Vorstellungstag besonders. Wie kann man sich amüsieren und hinterher so einen Schritt gehen? Meine Seele schrie. Er, mein Mann, war nur stolz, endlich die Karten zu haben.

Sachzwang gegen Seelendrang

Von der Opernvorstellung in Bayreuth ist gar nichts hängengeblieben, ich weiß nicht einmal mehr, was gespielt wurde. Und dann auf der Rückfahrt diese Diskussion. Mein Mann sagte: ‚Wenn du schon narkotisiert bist, kannst du dich ja auch gleich sterilisieren lassen.‘ Zählte denn der Grund für die Narkose gar nicht? Und überhaupt, ich hatte zehn Jahre die Pille geschluckt, drei Kinder geboren und jetzt die Abtreibung. Ich habe genug mit meinem Körper bezahlt. Wenn Sterilisation, dann wäre er jetzt an der Reihe, einen körperlichen Beitrag zu leisten. Das käme überhaupt nicht in Frage, die Option wolle er sich offenhalten. Nach kurzer Diskussion noch einmal dieser Satz: Er wolle kein Kind mehr von mir, aber vielleicht noch einmal von irgendeiner anderen???

Als der Eingriff geschehen war, wurde ich abends zu Hause mit einem Blumenstrauß begrüßt.

2.000 DM gegen ein Kind?

Wie gut, sagte er, dass meine Eltern da gewesen wären. Der Tag hätte ihm 2.000 DM gebracht. Kein Gefühl von Trauer oder Verlust. 2.000 DM gegen ein Kind. Unglaublich. Ich war so fassungslos, dass ich ihm nicht einmal die Blumen vor die Füße feuern konnte. Wir hatten drei kleine Kinder, und ich war ziemlich kraftlos, der einzige Grund, weshalb ich blieb.“

(Clara)

Seit einiger Zeit bin ich im Krankenhaus tätig. Ich bin Rettungsassistent und war lange auf der Straße mit dem Rettungswagen unterwegs. Da war es meine Aufgabe, Menschen zu retten, Leben zu bewahren.

Als ich meinen Dienst in der Klinik begann, bin ich davon ausgegangen, dass es auch im Krankenhaus so ist: Menschen, die dort sind, sollen geheilt werden. Ich habe als Rettungsassistent die Aufgaben eines Intensiv-Transportpflegers. Es gehört zu meinen Tätigkeiten, sedierte Kinder, Frauen und Männer in den OP- Bereich zu bringen oder sie nach der OP zu empfangen und auf ihre Station zu bringen. So habe ich schon unzählige Menschen aus ihrer Narkose aufwachen sehen.

Nach einiger Zeit beobachtete ich, dass einige Frauen beim Aufwachen ganz anders als andere reagierten. In der Regel erwacht der Patient entspannt und ruhig. Diese Frauen aber blickten mich und andere Schwestern / Pfleger gar nicht an, sondern starrten an die Wand oder an die Zimmerdecke, sie wirkten verkrampft und versteinert. Viele weinten, betasteten ihren Bauch und sahen an dem Pflegepersonal vorbei. Auf der Station wurde der Besucher oder Partner wie mechanisch empfangen. Der Blick der Patientin war starr und hohl und niemals auf ihr Gegenüber gerichtet, sondern an die Wand oder Fenster. Die Augen wirkten leblos. Der Gang der Frau war stelzig und steif, ein Bild ähnlich wie das einer Schaufensterpuppe. Die Gesichtsfarbe war blass. Die männlichen Begleitpersonen waren in der Regel verschwunden. Zuerst fragte ich die Ärzte: „Was habt ihr denn mit diesen Frauen gemacht?“ Erst nach einiger Zeit begriff ich, dass es sich bei den „OPs“ dieser Frauen um einen Abtreibungseingriff gehandelt hatte. Die Ärzte, auf diese Beobachtung angesprochen, behaupteten, sie würden den Frauen damit helfen.

Viele Diskussionen mit Krankenschwestern und Ärzten folgten. Da ich nun weiß, dass im Krankenhaus Abtreibungen durchgeführt werden, lehne ich es aus Gewissensgründen ab, diese Frauen in den OP zu bringen.

Den anfänglichen Schock wegen der Abtreibung habe ich wohl überwunden. Aber immer wieder spüre ich ein wenig Trauer, eine schlimmere Trauer als die, die ich bisher in meinem Leben kennengelernt habe – und da habe ich einiges erlebt! … Weil man so hilflos ist, nichts dagegen machen kann. Man weiß, dass es wirklich und unveränderlich so bleiben wird und ich darauf keinen Einfluss habe. Mein Sohn war mit seiner Freundin kurzzeitig auseinander, nun sind sie aber wieder zusammen. Sie ist seit der Abtreibung sehr anstrengend, eifersüchtig und bestimmend. Vielleicht hat sie Angst, Hannes auch noch zu verlieren. Vor kurzem schrieb sie meinem Sohn, sie vermisse ihr Baby. Ist das nicht hart? Aber ich bin auch froh, dass sie das so spürt und so ausdrücken kann.

Anm.: Die Autorin hatte ihrem Sohn (17 J.) und dessen Freundin (13 J.) angeboten, für das Baby zu sorgen. Die junge Frau sah jedoch in der Abtreibung die einzige Lösung. 

(Stefanie)

Du fehlst und die Jahre vergeh‘n,
ohne dass die Erde aufhört sich zu dreh‘n.
Die Jahreszeiten ziehen durchs Jahr,
als ob dein Tod ein Traum nur war.

Dein Platz hier bleibt für immer leer,
weiterleben fällt uns (mir) oft so schwer.
Es bleiben so viele Fragen
und eine Trauerlast, kaum zu tragen.

Bedecke mit meiner Maske mein Gesicht,
die nicht von meinen Gefühlen spricht.
Lebe mit einer Panzertracht,
die die Seele unverletzlich macht.

Es verrinnen Stunden und Sekunden,
ohne dass die Zeit heilt meine Wunden.
Ich werde Dich nie vergessen

und du hast immer einen Platz in meinem Herzen.

(Anna)

Auf einer Familienfeier ereilte es mich wieder. Ich musste plötzlich anfangen zu weinen. Was war passiert?

Eigentlich war ich selbst schuld. Ich fragte meine Verwandte, die das zweite Kind erwartete, ob sie sich noch ein drittes Kind vorstellen könnte. Sie erwiderte ahnungslos: „Natürlich! Wir nehmen es so, wie es kommt.“ Das traf mich mitten ins Herz! Meine Tränen kullerten und alle in meiner Nähe schauten mich erstaunt an. Sie ahnten nicht, was gerade in mir vorging.

Vor langer Zeit hatte ich mein drittes Kind abtreiben lassen. Meine beiden anderen Kinder waren damals sehr klein, mein Mann weit weg beim Studium. Keiner griff mir unter die Arme. Ich fühlte mich einfach überfordert! Meinem Mann erzählte ich damals nichts von der Schwangerschaft und von meinem Entschluss, denn ich wollte ihn nicht belasten. Er sollte den Kopf frei haben für das Studium.

Wir bekamen später noch ein Kind, aber es überkam mich eine tiefe Traurigkeit. Jedes Mal, wenn eine Frau das dritte Kind erwartet, kann ich mich nicht mitfreuen. Es ist eine Qual für mich, das zu hören! Mein Sohn hat drei Kinder und immer, wenn meine Enkelkinder zu Besuch sind, bilde ich mir ein, das dritte Kind schaut mich skeptisch und fragend an. So, als wolle es wissen: Warum hast du das getan? Zum Verrücktwerden! Wann hört das endlich auf? Werde ich jemals Frieden finden?

(Paula)

Wenn man mich sieht, sieht man eine Frau, die ihr Leben nicht im Griff hat. Ich habe vier Kinder. Das Jüngste ist von meinem jetzigen Mann. Unser Haus sieht unordentlich aus. Ich schaffe es einfach nicht, aufzuräumen. Ich liebe meine Kinder, aber es fällt mir schwer, mich um sie zu kümmern. Sie machen mir viele Sorgen. Sie haben Schwierigkeiten in der Schule und im Kindergarten.

Und wie sieht es in mir aus? Ich weine keine Träne, aber in mir ist alles wund vom Weinen. Vor diesen vier Kindern hatte ich eine Abtreibung. Ich war damals jung, vielleicht 19. Meine Eltern hatten beschlossen, dass ich abtreiben soll. Ich konnte mich nicht wehren. Mein Freund erfuhr gar nicht davon. Als ich von der Narkose erwachte, weinte ich! Ich stürzte mich in meine Ausbildung und lernte und lernte. Innerlich zerriss es mich.

Ich habe dann schnell einen Mann geheiratet und drei Kinder bekommen. Das ging nicht gut. Wir trennten uns. Das vierte Kind habe ich von einem anderen Mann. Ich kann morgens kaum aufstehen und nachts nicht schlafen. Meine Eltern, die in der Nähe wohnen, helfen viel.

Wenn ich zurückblicke, sehe ich mich als kleines Mädchen. Auch damals habe ich mich schon gefühlt, als sei etwas falsch. Mit zehn Jahren missbrauchte mich mein Onkel. Keiner stand zu mir! Neulich erzählte mir meine Mutter, dass sie ein Kind abgetrieben hat, als ich zwei Jahre alt war. Das war entweder meine Schwester oder mein Bruder. Bin ich schon deshalb immerzu traurig, weil mir mein Geschwisterchen fehlt?

Inzwischen habe ich schon zwei Therapien gemacht. Aber wirklich besser geht es mir nicht!

(Tilli)